Radmontage nur noch mit Meisterbrief? !!!!!!
Run-Flat-Reifen: Wann darf repariert werden?
Quelle Krafthand 10/2007
Radmontage nur noch mit Meisterbrief?
vom 08.08.2006 12:00
Halb- und Unwissen prägen die Diskussion!
„Reifenwechsel nur noch mit Meisterbrief“ – so titelten Ende Juli verschiedene regionale und überregionale Tageszeitungen. Sie bezogen sich auf ein aktuelles Rechtsgutachten, das die Reifenmontage als „gefahrgeneigte Tätigkeit“ einstufe und den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zur Stellungnahme veranlasst habe, damit werde „zirka 10.000 Betrieben“ – insbesondere Tankstellen – „eine wichtige Einnahmequelle entzogen“. Auch FDP-Partei- und Fraktionsvize Rainer Brüderle äußerte öffentlich Besorgnis: „Kein Mensch habe dafür Verständnis, wenn jetzt nur noch wenige Meister in Deutschland Reifen wechseln dürften. Schließlich habe fast jeder Autofahrer schon einmal selbst einen Reifen gewechselt“, so wurde seine Meinung in den Zeitungsberichten wiedergegeben.
„Eine maßlos überzogene Darstellung, die von Halb- und Unwissen geprägt ist“, so beurteilt Hans-Jürgen Drechsler, Geschäftsführer des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV, Bonn), diese Berichte aus Sicht des bundesweit tätigen Fachverbandes. Und argumentiert mit sachlichen Fakten gegen die bislang eher von emotionalen Argumenten geprägte Diskussion:
Fakt 1: Nicht das zitierte Rechtsgutachten, sondern der Gesetzgeber selbst hat durch seine bereits am 01.01.2004 in Kraft getretene Novelle der Handwerksordnung (HwO) das Vulkaniseur- und Reifenmechaniker-Handwerk als gefahrgeneigt und deshalb zulassungspflichtig eingestuft – mit der Folge, dass es einer Eintragung in die Handwerksrolle aufgrund einer Meisterprüfung oder einer anerkannten vergleichbaren Qualifikation bedarf, um ein entsprechendes Gewerbe ausüben zu dürfen. Das vom BRV in Auftrag gegebene Gutachten sollte diese Rechtslage lediglich nochmals eindeutig klar stellen.
Fakt 2: Falsch ist die Darstellung, dass zukünftig nur noch Meister Reifen wechseln dürften. Richtig ist vielmehr: Rad- und Reifenmontage darf als gewerbliche Leistung grundsätzlich nur von Meisterbetrieben durchgeführt werden, d.h. der Inhaber oder ein beschäftigter Betriebsleiter muss den Meisterbrief im Vulkaniseur-/Reifenmechaniker-Handwerk oder einem der fünf verwandten, ebenfalls zulassungspflichtigen fahrzeugtechnischen Gewerke (Mechaniker/in für Landmaschinentechnik oder für Karosserieinstandhaltungstechnik, Kfz-Mechatroniker/in, Zweirad- oder Karosserie- und Fahrzeugbaumechaniker/in) besitzen und sicherstellen, dass das Montagepersonal unter seiner Aufsicht die Arbeiten sachgemäß und nach dem aktuellsten Stand der Technik ausführt. Drechsler: „Jedem Autofahrer bleibt es unbenommen, sein Fahrzeug selbst neu zu bereifen – er trägt dann allerdings auch das Risiko selbst! Wer jedoch Reifenmontage gewerblich betreibt, muss akzeptieren, dass der Staat im Sinne des Verbrauchers für größt mögliche Sicherheit sorgt.“
Fakt 3: Mit dem Kriterium „Gefahrgeneigtheit“ hat der Gesetzgeber den Meisterbrief als Berufszugangsschranke auf den unbedingt erforderlichen Bereich eingeschränkt, nämlich die Abwehr von Gefahren für Gesundheit oder Leben Dritter. Drechsler: „Niemand, der die rasante Entwicklung der Rad-/Reifentechnologie der vergangenen zwei bis drei Jahrzehnte beobachtet hat, wird ernsthaft bezweifeln, dass die Anforderungen an den Reifenservice heute von einer extremen technischen Komplexität geprägt sind und ein Radwechsel heute mit einem Radwechsel vor zwanzig, dreißig Jahren längst nicht mehr vergleichbar ist. Genau deshalb hat der Gesetzgeber den Reifenservice ja als „gefahrgeneigt“ eingestuft – um zu verhindern, dass unsachgemäß ausgeführte Arbeiten zum Beispiel an Hochgeschwindigkeitsreifen oder Fahrzeugen mit Reifendruck-Kontrollsystemen die Sicherheit des Fahrzeughalters oder -führers gefährden! An dieser Stelle möchten wir übrigens Herrn Brüderle herzlich einladen, die Reifen an seinem heutigen Privat- oder Dienstwagen in Berlin oder hier in Bonn selbst zu wechseln. Dabei könnten wir dann gemeinsam am konkreten Objekt das Thema praxisnah einer eingehenden und objektiven Erörterung unterziehen.“
Fakt 4: Gesetzlich geregelte Ausnahmen von der Meisterpflicht sorgen dafür, dass es nicht zu übermäßigen Einschränkungen in der Ausübung gefahrgeneigter Gewerke kommt. So kann zum Beispiel eine Ausübungsberechtigung für ein zulassungspflichtiges Handwerk erteilt werden, wenn nach bestandener Gesellenprüfung eine Tätigkeit von mindestens sechs Jahren, davon vier Jahre in leitender Tätigkeit, nachgewiesen wird. Auch ohne Meistertitel zur Ausübung des Handwerks zugelassen werden können zudem Ingenieure, Techniker und Industriemeister sowie Inhaber oder im Unternehmen beschäftigte Betriebsleiter über 47 Jahre, die entsprechende Kenntnisse und langjährige Tätigkeit (20 Jahre) im Reifenservice nachweisen können.
Last, but not least hält Verbandschef Drechsler dem Hinweis auf drohendes Betriebssterben entgegen: „Von den genannten 10.000 Betrieben machen nach unserer Einschätzung nur noch rund zehn Prozent ausschließlich Reifenservice. Die überwiegende Mehrheit hiervon bietet neben Reifen- auch Kfz-Service an – und diese Betriebe benötigen wegen der Gefahrgeneigtheit in allen Kfz-Berufen ohnehin einen Meister in einem der Gewerke! Alle übrigen haben die Möglichkeit, sich entweder zu qualifizieren oder eine der Ausnahmeregelungen in Anspruch zu nehmen. Im übrigen gilt dies nicht nur für Tankstellenbetreiber, sondern für alle Reifenservice-Anbieter, also auch für freie und markengebundene Kfz-Werkstätten, Fachmärkte und natürlich den Reifenhandel selbst. Insofern geht es hier auch nicht um Ausgrenzung, sondern um die Gewährleistung freien, vergleichbaren Wettbewerbs, gekoppelt mit größt möglicher Sicherheit für den Verbraucher!“